Seit dem Ausstieg der USA aus dem "Paris Agreement" im Juni 2017 wird China immer öfter die Rolle eines globalen "Climate Leader" zugeschrieben und das, obwohl es mit einem Anteil von 27,52% am weltweiten CO2-Austoß der größte Emittent des Treibhausgases ist. Es stellt sich also die Frage, ob die Zuschreibung einer "Climate Leadership" ihre Berechtigung hat.
Eines ist neben der Tatsache, dass China der weltweit größte CO2-Emittent ist sicher: es gehört auch zu den Ländern, die in besonderer Stärke von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Zu nennen sind vor allem die Luftverschmutzung in den Städten, aber auch Taifune, schmelzender Gletscher, der Rückgang der Biodiversität, die zunehmende Wasserknappheit und die damit einhergehende Minderung der Produktivität der Landwirtschaft. Trotz dieser Betroffenheit hat sich Peking in der Vergangenheit damit zurückgehalten den Klimawandel als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit und auch für die Sicherheit der Bevölkerung einzustufen. Stattdessen wurde der Klimawandel als ein Problem eingestuft, was eine nachhaltige Entwicklung betrifft.
In den 2010er Jahren änderte Peking jedoch seine Einstellung zum Klimawandel. So erklärte der chinesische Premier Li Keqiang den "war on pollution" und Präsident Xi Jingping versicherte 2017, dass eine "globale ökologische Sicherhert" gewährleistet sein müsse. Folgend hat Peking den weltgrößten CO2-Markt geschaffen, in erneuerbare Energien und Elektroautos investiert und sich dazu verpflichtet vor 2030 die eigenen Emissionen zu verringern. Diese Verschiebung hin zur öffentlichen Wahrnehmung des Klimawandels als Belang der Sicherheit ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass die politische Führung in Peking plötzlich von den Gefahren des Klimawandels (die in China schon seit langem erfahren wurden) überzeugt wurde. Stattdessen ist der Wandel auf die Norm "The New Normal" und ein Kalkül der Führungselite zurückzuführen.
"The New Normal" tauchte (besonders ab 2015) in dem Zusammenhang mit der Schwierigkeit auf, die enorme Geschwindigkeit des chinesischen Wirtschaftswachstums zu erhalten. Zunehmends wurde für ein nachhaltigeres und langsameres Entwicklungsmodell plädiert. Diese Norm eröffnete die Möglichkeit, andere Themen - wie den Klimawandel - auf die Sicherheitsagenda in Peking zu heben und (ein gemäßigtes) Wirtschaftswachstum mit klimagerechteren Maßnahmen legitimerweise zu verbinden. Das Kalkül der chinesischen Regierung, diese Möglichkeit wahrzunehmen und sich dem Zusammenhang des Klimawandels und der Sicherheit zu widmen, besteht in darin, die eigene Legitimität und den internationalen Einfluss erhöhen zu wollen.
Im Innern ist die Luftverschmutzung in den Städten (aber auch schmutzige Kohlewerke auf dem Land) die größte und sichtbarste Bedrohung der Legitimität der Kommunistischen Partei Chinas. Die Adressierung des Klimawandels als Belang der Sicherheit stärkt demnach die Legitimität in der eigenen Bevölkerung.
Außerdem sind die Nachbarbarstaaten Chinas stark von den Entscheidungen Pekings über klimapolitische Belange betroffen. Vor allem die Wasserversorgung der Nachbarregionen, die von der tibetischen Hochebene abhängig sind, spielt hier eine entscheidende Rolle. Dass Peking diese klimabedingten Komponenten in ihre Außenpolitik einbezieht ist vor allem auf die "Belt and Road"-Initiative zurückzuführen, für welche Peking (und chinesische Firmen) auf die Legitimität unter den Nachbarstaaten angewiesen ist.
Schließlich hat sich durch das "Paris Agreement" ein Möglichkeitsfenster für Peking eröffnet, über die Klimasicherheit geopolitischen Einfluss auszuüben. Zum einen verfolgt das "Paris Agreement" einen Bottum-Up-Ansatz, der es den Staaten ermöglicht selbst über das Ausmaß ihres Engagements zu entscheiden und der es China erlaubte, die eigene Rolle neu zu definieren. Zum anderen enstand durch den Rückzug der Trump-Administration aus dem Abkommen ein Vakuum, dass nach einem neuen "Climate Leader" verlangte.
Peking selbst ist jedoch zurückhaltender damit sich selbst als "Climate Leader" zu bezeichnen, da diese Rolle eine Bindung der nationalen Interessen an die einer größeren Gemeinschaft bedeuten würde. Wie weit entfernt Peking von einer solchen Bindung ist, wird durch die bestehende Zusage an Kohle deutlich: Im Rahmen der "Belt and Road"-Initiative ist Peking dabei, 240 neue Kohlekraftwerke in 25 Ländern zwischen Pakistan und Serbien zu finanzieren.
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